Haus 2000

© v. am pool



Eine Nacht im Mai. Man sasz zusammen an einem Hang in der sonst eher flachen Stadt und starrte in den Himmel. Keineswegs hinunter in die Stadt, sie war weiter weg als die Sterne, und die Fantasie geriet in Wallung: Was waere, wenn wir ein Haus bauten? Einen Hafen errichteten im Strom der umtriebigen Gezeiten, einen Knotenpunkt knuepften im Datennetz, ein Nest bauten, fuer unsere Sehnsuechte?
Man nickte sich zu und packte die vegetarischen Brotaufstriche zurueck in die Koerbe und sammelte den Muell in Plastiktueten ein. Die Reflektoren ihrer Fahrraeder glaenzten im Widerschein der Straszenlaternen.
Die Stadt rauschte und brummte, und alle lagen sie in ihren Betten und freuten sich auf die besseren Zeiten, die anbrechen wuerden, haetten sie erst ein Haus.


Ein Jahr verging, und es wurde wieder Mai. Die Zeiten waren nicht besser geworden, aber auch nicht schlechter, so dass man sich zumindest anerkennend auf die Schultern klopfte fuer das, was man bisher erreicht hatte: Ein altes Haus, mutig der Stadt abgetrotzt, den Schimmel besiegt und einige elektronische Leitungen neu verlegt, und den Teamspirit zumindest am Leben erhalten.

Das Jahr 2000 schien ein erfolgreiches Jahr zu werden. Unsere Helden schwitzten Blut und Eiter, brachen sich einige Beine, als sie von den Leitern fielen und weinten auch manchmal in der Nacht, weil sie fuerchteten, vielleicht doch nicht gemocht zu werden von den anderen.
Aber die Struktur blieb stabil. Der Hafen wurde geflutet, der Knoten zog sich zusammen, und auch die Sehnsuechte hatten endlich ein Ziel:

Unser Haus.


Natuerlich ist diese Geschichte frei erfunden, und hat mit der Realitaet wenig zu tun.
Das Haus aber ist trotzdem entstanden, auch wenn die Realitaet nicht beteiligt war. Es steht als Interface irgendwo auf dieser Welt, vielleicht sogar an mehreren Orten gleichzeitig oder ist fragmentarisch ueber den Erdball verteilt. Es besteht aus mehreren Etagen, die wiederum mehrere Raeume haben, und in diesen Raeumen passieren alle moeglichen Dinge. Das Haus vermittelt zwischen Vergangenheit und Zukunft, es ist das Portal zu den Dimensionen der eigenen Moeglichkeiten. Unsere Helden gehen hier ein und aus, aber sie sind nicht koerperhaft gebunden, auch sie sind fragmentarisch und bilden sich neu und zerfallen ebenso schnell.
Im Eingangsbereich sitzt ein jugendlicher Portier, der von den Eintretenden nichts weiter will, als ein freundliches Gesicht. Und ein ebensolches bekommen sie von ihm.

Eine Nacht im Mai. Man sitzt zusammen an einem Hang in der sonst ehr flachen Stadt. Ein Handy klingelt. Jemand fragt, ob er kommen darf. Er darf. Und er muss das naechste Mal nicht erst fragen.